Kapitalismus ade?

 

Was ist eigentlich mit dem "Kapitalismus"?

Beim 200. Geburtstag von Karl Marx kann man schon mal fragen: Was ist eigentlich mit der Systemfrage? Muss man nicht gerade heute den Kapitalismus als Ganzes in Frage stellen?

Um diese Frage beantworten zu können, sollte man sich ersteinmal vergewissern, ob man bei verwendeten Begriffen eigentich das gleiche Grundverständnis hat. Deshalb: Was ist Kapitalisumus?

Wikipedia: Die zentralen Merkmale sind in Anbetracht des historischen Wandels und der zahlreichen Kapitalismusdefinitionen sowie ideologischer Unterschiede umstritten. Allgemein wird unter Kapitalismus eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verstanden, die auf Privateigentum an den Produktionsmitteln und einer Steuerung von Produktion und Konsum über den Markt beruht. Als weitere konstitutive Merkmale werden genannt: die Akkumulation, für manche das "Herzstück", Hauptmerkmal und Leitprinzip des Kapitalismus, und das "Streben nach Gewinn im kontinuierlichen, rationalen kapitalistischen Betrieb".

Gehen wir die einzelnen Merkmale durch:

  • Privateigentum an den Produktionsmitteln bzw. "freies" Unternehmertum

    Dazu gibt es meiner Einschätzung nach als Grundsatz keine vernüftige Alternative. Die "Alternative" wäre Planwirtschaft. Die hat bewiesen, dass sie nicht funktioniert. Allerdings darf man das auch nicht ideoloigsch sehen. So gibt es z.B. bei natürlichen Monopolen wie Netzen auch gute Gründe für Staatseigentum an Produktionsmitteln. Auch für die Schaffung günstiger Wohnungen durch öffentliche Wohnbaugesellschaften spricht viel.

  • Steuerung von Produktion und Konsum über den Markt

    Auch dazu sehe ich im Grundsatz keine vernünftige Alternative. Die "Alternative" wäre wieder Planwirtschaft. Die hat bewiesen, dass sie nicht funktioniert. Allerdings muss man dem Markt insbesondere bei sozialen und ökologischen Standards einen Rahmen geben, innerhalb dessen er arbeiten kann. Der Markt selbst ist blind für soziale und ökologische Fragen.

  • Akkumulation

    Wikipedia: Nach Karl Marx hat Akkumulation zwei Seiten: auf der einen Seite immer mehr Kapital in den Händen der Kapitalisten, auf der anderen Seite der Arbeiter immer mehr Elend. Gerade dies hält aber den Kapitalismus am Laufen, da dadurch die Lohnarbeiter stets ökonomisch gezwungen sind, ihre Arbeitskraft an die Kapitalisten zu deren Bedingungen verkaufen zu müssen.

    Es gehört zu den Grundsäulen der Sozialen Marktwirtschaft, dass marktbeherrschende Unternehmen verhindert werden müssen.
    Außerdem sollen insbesondere starke Gewerkschaften dafür sorgen, dass die Arbeitnehmer einen gerechten Anteil am Mehrwert ihrer Arbeit erhalten. Heute sind es eher die Schattenseiten der Globalisierung, die diesen historischen Fortschritt in Gefahr bringen könnten.
    Der Gefahr, dass "Reiche immer reicher" werden und sich ihr Reichtum von der Entwicklung in der Gesamtgesellschaft entkoppelt, sollte mit einer konsequenten Vermögensbesteuerung entgegen gewirkt werden. Außerdem muss der Staat grundsätzlich über die Vermögensverhältnisse der besonders Reichen Bescheid wissen. Auch dazu dient eine Vermögensbesteuerung. Es kann auch sinnvoll sein, dass der Vermögenswert der besonders Reichen veröffentlicht wird, um Transparenz zu erreichen.

  • Streben nach Gewinn im kontinuierlichen, rationalen kapitalistischen Betrieb

    Das Prinzip der Gewinnmaximierung bei Unternemen ist eine wichtige Basis für unseren beachtlichen Wohlstand. Es führt zu Innovationen und effizienter Produktion. Auch dazu sehe ich im Grundatz keine vernünftige Alternative. Der Staat - und damit wir als Gesellschaft - muss allerdings einen Rahmen vorgeben in Bezug auf ökologische und soziale gesellschaftliche Zielsetzungen. Der Markt ist zum Beispiel blind für die Folgekosten mangelnden Klimaschutzes, da die Marktakteure (auch wir als Konsumenten) diese Folgekosten auf die Menschheit verschmieren (externalisieren) und die Gewinn privatisieren können. Man kann allgemein sagen: Wenn externe Effekte vorliegen, dann ist die Gefahr groß, dass der Markt versagt. Dann müssen wir als Gesellschaft dem Markt sagen, wo es lang geht. Wir müssen als Gesellschaft auch Grenzen setzen, damit das Prinzip der Gewinnmaximierung nicht in alle Lebensbereiche eindringt.

    Hat ein Unternehmen eine soziale Verantwortung? Auch Manager und Unternehmenseigentümer sind zum Glück Menschen und werden daher oft im Rahmen ihrer Möglichkeiten soziale Verantwortung zeigen. Auch das Image eines Unternehmens kann wichtig für den Erfolg sein. Wenn ein Unternehmen die Belange der Belegschaft berücksichtigt, kann die entstehende Loyalität und Motivation auf für das Unternehmen wertvoll sein. Aber die Möglichkeit soziale Verantwortung als Unternehmen zu übernehmen, hat im "Kapitalismus" bzw. in einer Marktwirtschaft seine Grenze dort, wo dies den Fortbestand des Unternehmens im Wettbewerb gefährden würde. Daher liegt die Hauptverantwortung für Soziales und Ökologie beim Staat bzw. bei uns als Gesellschaft. Wir müssen die Regeln bestimmen.

 

Eigentlich wurde die Systemfrage längst gestellt und beantwortet: mit der Sozialen Marktwirtschaft. Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass ein purer Kapitalismus bzw. unregulierte Marktwirtschaft uns ins Verderben führen würde. Wir als Gesellschaft müssen ständig dafür sorgen, dass durch gute Regeln Märkte im Sinne der Wohlfahrt der Gesellschaft funktionieren und dass das Primat der Politik gilt und nicht die Macht des Geldes. In diesem Sinne braucht der Kapitalismus bei uns eine Runderneuerung. Darum geht es auch auf dieser Website.

Wir müssen uns allerdings als Wähler fragen lassen, ob wir uns in den letzten 30 Jahren nicht Politiker herangezogen haben, die nicht mehr den Mut haben uns die Wahrheit zu sagen und wir daher viel an Reform- und Durchsetzungsfähigkeit von Gemeinwohlinteressen verloren haben. Statt ständiger Politikerschelte, sollten wir Wähler auch einmal in uns gehen und uns fragen, ob wir bei unseren Wahlentscheidungen die Wohlfahrt der Gesellschaft im Auge haben oder nur unser kurzfristiges Eigeninteresse? An der Wahlurne stimmen wir über Regeln für unsere Gesellschaft ab. Dort darf die private Gewinnmaximierung nicht dominieren. Nicht der Kapitalismus ist unser wirkliches Problem, sondern die Schwäche unserer Demokratien. Wir haben verängstigte Politiker, die keine Reformen mehr anpacken, weil man mit Reformen nur Wahlen verlieren aber nicht gewinnen kann. Die vielleicht überraschende Diagnose: Nicht Wirtschaftslobbyisten sind unser wirkliches Problem, sondern kurzfristig orientierte, nur auf die eigenen Belange und nur auf das eigene Portmonee fixierte Wähler sind das eigentliche Problem. Ok, da ist sehr zugespitzt formuliert. Aber manchmal helfen auch Zuspitzungen :-).

Systemische Schwächen des 'Kapitalismus'

  • Die Soziale Marktwirtschaft ist grundsätzlich durch die Globalisierung und schwer regulierbare Finanzmärkte in Gefahr, weil das Primat der Politik bzw. die gesellschaftliche Rahmensetzung bedroht ist. Pauschal die Globalisierung zurückdrehen, ist jedoch nicht die Lösung und auch gar nicht möglich. Wir müssen die Flucht nach vorne antreten und die Globalisierung gestalten. Auch wenn dies in Zeiten von Brexit und Trump als sehr schwieriges Unterfangen erscheint.

  • In Marktwirtschaften kommt es zu konjunktureller und struktureller Arbeitslosigkeit.
    • Strukturelle Arbeitslosigkeit
      • Gründe in einer schlechten Politik. Strukturelle Arbeitslosigkeit kann entstehen, wenn eine schlechte Politik gemacht wird und damit die internationale Konkurrenzfähigkeit verloren geht. Die auf dieser Website gemachten Vorschläge für ein gerechtes und transparentes Steuer- und Sozialsystem sind Möglichkeiten für eine gute Politik, die die Wettbewerbsfähigkeit stärkt.
      • In einer dynamischen wettbewerbsorienteirten Marktwirtschaft findet ein dauernder Strukturwandel statt. Wenn einem Staat die Resourcen fehlen Strukturwandel zu begleiten, kann vorallem regionale strukturelle Arbeitslosikgeit entstehen.
    • Konjunkturelle Arbeitslosigkeit. Bestes Gegenmittel: Der Staat hat in guten Zeiten Rücklagen gebildet, um bei Konjunkturkrisen gegenzusteuern.
    • Mangels Alternative sind die Probleme mit Arbeitslosigkeit kein Grund, um den 'Kapitalismus' ade zu sagen.

  • Wettbewerb zwischen den Unternehmen (verstärkt durch die Globalisierung) führt zu einer ständigen Arbeitsverdichtung und ständigem Zwang die Produktivität zu erhöhen. Lösungsansätze: Bürgerdividende, kostenlose Infrastruktur für Kinder, Bürgerrente und ein Sozialer Arbeitsmarkt schaffen Freiräume. Daneben ist es wichtig, dass wir Arbeitnehmer uns gewerkschaftlich ausreichend engagieren.

Dies bedeutet: Auch gegen diese systemischen Schwächen des Kapitalismus kann man gegensteuern. Aber in einem gewissen Umfang werden wir mit diesen Schwächen leben müssen.